Von Babylon bis Hirnibräu

Vergessen wir die babylonische Hausfrau, die vor 9000 Jahren einen Brotteig im Regen liegen und so das erste Bier herangären liess. Vergessen wir die Sonnengöttin Osiris, die Bier 2000 vor Christus zum ägyptischen Nationalgetränk erkor. Vergessen wir, dass die Römer das Bier der Germanen offiziell als Barbarengesöff abtaten, es aber inoffiziell ihrem sauren Wein vorzogen.

Vergessen wir all die Heroen der überschäumenden Biergeschichte und wenden wir uns schnurstracks Andreas Aemmer (l), dem Meisterbrauer von Hirnibräu, und seinem Assistenten Patrik Schöb (r) zu. Ab August 1997 wurden Küche und Bad geopfert, um den ersten Sud in Gang zu setzen. In einem mutigen Selbstversuch wurde das erste Glas Selbstgebrautes bis zur Neige geleert. Und siehe da, es war wohlgeraten! Es folgten Monate intensiven Tüftelns, Schräubelns, Gurgelns und Schmatzens. Es folgten Jahre des Verstehens, Verfeinerns, Verschluckens, Verdichtens – und des Verlinkens mit geistesverwandten Malz-, Hopfen- und Hefelieferanten. Bis schliesslich stand, was stehen musste: ein Bier so ungefiltert, so vollmundig, so rein, dass es unter Bierkennern rasch zum Geheimtipp wurde. Und zu einer wunderbaren Aufforderung, Zürich von seiner natürlichsten Seite kennen zu lernen.

Die Geschichte hat 2010 eine Fortsetzung gefunden, wie man sie nicht schöner hätte erfinden können. Ein Expertenteam des Tages-Anzeigers erkor den Gerstensaft von Hirnibräu zum besten von elf blind getesteten Bieren aus dem Kanton Zürich.

Auch die Baugenossenschaft der Strassenbahner Zürich hörte die frohe Kunde – und dass Hirnibräu eine neue Produktionsstätte suchte. Dies traf sich just mit ihrer Idee, den ehemaligen Trafoturm in ihrer Überbauung Guggach in eine Brauerei umzuwandeln. Bei einer Mundprobe überzeugten sich die zuständigen Damen und Herren von der Qualität des Biers und beschlossen flugs, das Projekt mit Hirnibräu zu realisieren. Sie kamen den Vorstellungen der Brauer unkompliziert und tatkräftig entgegen, um das Gedeihen der jungen Brauerei zu ermöglichen. Ein herzliches Prost gilt ihnen!

Die Ironie der Geschichte will es, dass die Umwandlung des Trafoturms in eine Kleinbrauerei von Architekten geplant wurde, die zuvor einen Teil der ehemaligen Grossbrauerei Hürlimann in das Thermalbad Zürich verwandelt hatten. Margrit Althammer und René Hochuli entwarfen einen Brauturm, wie ihn sich Andreas Aemmer und Patrik Schöb nicht zu träumen getraut hätten. Seit Ende 2011 können sie in einer professionellen Umgebung wirken, die ihr Brau-Know-how optimal zum Ausdruck kommen lassen. Auf dass sich noch mehr Leute an ihrer Braukunst erfreuen können.